VIDEODROME [David Cronenberg | CAN 1983]
© Koch Media |
Was
mich VIDEODROME noch etwas hinter David Cronenbergs besten Werken
einordnen lässt, ist zum einen seine thematische Überdeutlichkeit
und zum anderen der Mangel an Empathie für seine(n) Helden. Das hat
sicher auch viel mit der sehr kurzen Laufzeit des Films zu tun, die
den Charakteren wenig Raum gibt und den Realitätsverlust (oder
besser: Realitätenbildung) seines Protagonisten sehr energisch, doch
beinahe hektisch abhandelt. Auch wenn das Spiel mit den
Wirklichkeiten viel Interpretationsraum lässt und der Film danach
schreit, endlos philosophisch seziert zu werden, ist VIDEODROME für
mich nicht mehr als ein vergnüglicher Trash-Film mit beeindruckender
Handschrift.
HACHIKO - Eine wunderbare Freundschaft [Lasse Hallström | UK, USA 2009]
© Pro Kino
|
Ein
Hund als Hauptfigur, der am Bahnhof wartet – jeden Tag. Er wartet
auf sein Herrchen, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für
Jahr. Ähnlich lang fühlt sich HACHIKO für den Zuschauer,
der wenig mit Hunden anzufangen weiß, an, den mehr der Film an sich
interessiert. Denn die Geschichte zwischen Hund und Herrchen ist ein
auffallend in die Länge gezogener Film, der sich thematisch im Kreis
dreht, der wenig zu erzählen hat und unter ständigem
Klaviergeklimper auf die Tränendrüse zu drücken versucht. Das Ende
verrät: Nach einer wahren Geschichte. Wow, Hunde sind so treue
Tiere. Wusste ich noch nicht.
The Raid [Gareth Evans | IDN, FR, US 2011]
© Koch Media |
Wäre
THE RAID nicht so aufwendig produziert, könnte man denken, der Film
stamme von einem siebzehnjährigen Gamer, der „endlich mal einen
geilen Action-Film“ machen wollte. Zumindest hören sich so die
Dialoge an und der pubertäre Score sowie die hässlichen Bilder
lassen auch nicht darauf schließen, dass man es hier mit
talentierten Filmemachern zu tun hat. Wären nicht die toll
choreographierten Nahkämpfe, hätte ich diesen
gewaltverherrlichenden Nonsens nach zehn Minuten abgebrochen. Nein,
THE RAID scheint wie geschaffen für den genügsamen Zuschauer,
dessen Filmkonsum befriedigt wird, wenn er während seiner
Whatsapp-Konversation in den richtigen Momenten (wenn eine
Schädeldecke durchbohrt wird) kurz aufschaut.
😞
COLD WAR - DER BREITENGRAD DER LIEBE [Pawel Pawlikowski | PL, FR, UK 2018]
© Neue Visionen |
SIE,
die Bäuerliche, die Geerdete, die polnische Erde und Heimat. ER, der
Künstler, der Kultivierte, der polnische Geist, den es in die Fremde
treibt. In erneut bildschönen schwarz-weiß-Bildern im 4:3 Format
erzählt Pawel Pawlikowski eine unglückliche Liebesgeschichte, die
in der Gegenwart des Kalten Krieges keine Heimat findet, und von
einem Polen, das unter einem kommunistischem Regime einerseits keine
Freiheit besitzt und in der freien Künstlergesellschaft im Paris der
50er und 60er Jahre keinerlei Autonomie zukommt. Es ist in jedem Fall
erleichternd, dass Pawlikowski dem Zuschauer keine solcher oder
ähnlicher Allegorien und Metaphern aufdrängt und auch wenn das, was
übrig bleibt, nämlich ein Liebesdrama vor dem Hintergrund des
Kalten Krieges, verbraucht und abgenutzt scheint, findet man in COLD
WAR genug Raum und Zeit, sich der wunderbaren Poesie fantastischer
Bilder hinzugeben.
😊
ROM, OFFENE STADT [Roberto Rossellini | IT 1945]
© Studiocanal |
Völlig
zurecht einer DER Vertreter des neorealistischen Films und immer
wieder Fixpunkt filmgeschichtlicher Aufarbeitungen. Der Film spielt
in der Zeit der deutschen Besatzung Roms um 1943, Mussolini ist
gestürzt und dennoch sehen sich die italienischen Bürger weiter dem
Faschismus unterworfen. Die Dinge werden mit der Zeit schlechter und
nicht besser. Wir atmen Zeitkolorit: Die Not, der Hunger und die
Hoffnungslosigkeit, die beinahe im Nihilismus mündet. Wenn der
Pfarrer beginnt, Menschen zu verdammen, was bleibt dann noch? –
Doch da gibt es eine über allem stehende Ethik, die von keiner
Ideologie tot zu kriegen ist, ein Gedanke, das Pfeifen der Kinder im
Wind. Ein Hauch von Pathos inmitten grausamer Realitäten – genau
das, was ein Filmliebhaber braucht.
😀
PHANTASTISCHE TIERWESEN UND WO SIE ZU FINDEN SIND [David Yates | UK, US 2016]
© Warner Bros. |
Ging,
wie zu erwarten war, schulterzuckend an mir vorbei: Weitestgehend
profillose Charaktere stolpern durch ein graues, hässliches New York
von einer blöden Idee in die nächste. Das gerade in Fantasyfilmen
immer wieder lieblos hingekotzte Plädoyer für Toleranz und
Andersartigkeit, ist diesmal fest im Film verankert, geht aber ebenso
wie eigentlich alles andere im Effektgewitter unter. Eddie Redmayne
spielt immer noch Stephen Hawking und macht sich sogar mit einer im
Grunde schwer sympathischen Filmfigur bei mir noch ein Stück
unbeliebter.
😞
71 FRAGMENTE EINER CHRONLOGIE DES ZUFALLS [Michael Haneke | AT, DE 1994]
© Wega Film |
71
Fragmente über die Beteiligten eines Amoklaufs: Michael Haneke zeigt
in gut eineinhalb Stunden mehrere sinnlos vor sich hin existierende
Menschen, die entweder fehlgeleitet sind oder, was hier wohl eher
zutrifft, schon immer fehlgeleitet waren. Lange filmt er
beispielsweise, wie das dunkle, schon fast schwarze, Blut sich an
einer Leiche über dem Boden ausbreitet, ergötzt sich daran, dass
die dickflüssige Masse eher Himbeersirup gleicht als dem Lebenssaft,
der uns atmen lässt. Keine Frage: Diese Person war schon vorher tot.
Um sie braucht man nicht zu trauern. Der Fernseher vermittelt das
Gleiche und schaltet wie jeden Tag im Zwanzig-Sekunden-Takt von einer
schlechten Neuigkeit zur nächsten. Ein elitärer Film, ein
ekelhafter Film, der keinen Finger in irgendeine Wunde legt, sondern
solange stochert, bis er Wunden findet, der keine Liebe für seine
Figuren übrig hat, der scheinheilig dokumentiert und meint, nichts
Schlechtes zu sagen, nur weil er Schlechtes zeigt.
😠