Dienstag, 13. März 2012

Werkschau - Darren Aronofsky

Da ich mich in den letzten Tagen verstärkt mit Aronofskys Werken befasst habe, präsentiere ich euch hier jeden seiner fünf Filme in chronologischer Reihenfolge mit Bewertung und kurzer Kritik:

Pi [1998]

Pi ist ein Film genau nach meinem Geschmack: Viele mysteriöse Zahlentheorien, Zufälle, die keine sind und im Mittelpunkt ein beinahe krankhaftes Hirn, dessen Psyche mit dem verrückten Stil des Films hervorragend zum Ausdruck gebracht wird: Mathematik kann auch spannend sein. Das zeigt Aronofsky in seinem Langfilm-Debut auf beeindruckende Art und Weise. Der Protagonist des Films Max Cohen ist ein gesellschaftlich betrachtet kleines Licht, das die meisten Menschen nicht versteht und sich ihnen gegenüber abschottet, ein gesundheitlich Geschwächter, der immer wieder an Migräne-Anfällen leidet und sich eine Pille nach der anderen einwirft und natürlich ein wahnsinniger Zahlen-Junkie, der jedwede Formel vor Augen hat und sich für nichts anderes engagieren kann. Alles habe eine feste Struktur im Universum, sogar unsere Welt selbst, deren Code es nun für ihn zu knacken gilt. Schade nur, dass man ein solches Unterfangen kaum ungestört betreiben kann...
Als halb Thriller, halb Charakterstudie präsentiert sich Aronofskys Erstlingswerk im ästhetischen schwarz-weiß Look, dessen Verspieltheit vor der Kamera, mit der er uns hier schon betraut macht, wieder einmal sehr inspiriert, aber teilweise auch ein wenig anstrengt. Alles andere als anstrengend ist hingegen Clint Mansells verdammt cooler, stimmungsvoller Soundtrack, der eine durchaus passende Atmosphäre erzeugt. Mit all seinen verrückten Fassetten erinnerte Pi mich irgendwie an David Lynchs Eraserhead. Wer den schon mochte, wird an Pi ebenso seine Freunde haben, denn wenn unser Protagonist, verfolgt von Wall Street und Judensekte, an diesem steigenden Druck zunehmends zerbricht und nach einem Ausweg sucht, dann gibt es nichts Schöneres, als ihm dabei zuzusehen, so seltsam das auch klingt. Pi ist kurzweilig, intelligent und interessant ... und von allem nicht zu wenig.
7,5/10

Requiem for a Dream [2000]
Der Traum vom großen Geld, der Traum von einer glücklichen Familie, der Traum beachtet zu werden und ein einziges Mal im Mittelpunkt zu stehen, der Traum ... geplatzt.
Das einfühlsame und dennoch so unfassbar schonungslose Drama Requiem for a Dream präsentiert sich primär als ganz großes Gefühlskino, das eindeutig den Fokus auf die emotionale Beeinflussung des Zuschauers legt. Ob Aronofsky nun die Medien durch sektenähnliches, beeinflussendes Fernsehen scharf kritisiert oder auch mehr Menschlichkeit und Mitgefühl zwischen den Menschen fordert: Fast alles ordnet sich dem Tränendrüsenkino unter und wird letztlich von Clint Mansells höchst sentimentalen, grandiosen Score erdrückt. Mit Kamera und Schnitt gewohnt verspielt, zaubert Aronofsky seine durchaus innovativen stilistischen Ideen optisch eindrucksvoll auf die Leinwand, und während der eine der Ansicht ist, dass dieser emotionale Bilderregen des Guten doch zu viel sei und den Film wichtiger erscheinen lässt, als er letztendlich ist, kann sich der andere an der reichen Fülle künstlerischer Entfaltung gar nicht satt genug sehen. Objektiv lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen, dass die Regiearbeit noch lange nicht zu Aronofskys besten zählt. Teilweise unkoordiniert springt er besonders anfangs zwischen den einzelnen Erzählsträngen hin und her und versucht oft mit viel Gefühl und Emotionen technische Fehler auszugleichen ... und das funktioniert aufgrund von perfekter Verwendung von Kamera und Score, sowie des klasse Casts, allen voran einer herausragenden Ellen Burstyn, überraschend gut. 
Somit erzielt Requiem for a Dream trotz seiner Makel seine volle Wirkung wie kein zweiter Film. Ein angsteinflößender Kühlschrank, ein Auge auf Letos mit Drogen vollgepumpten Arm, ein letztes Mal die völlig verwarrloste, verwirrte Ellen Burstyn erblicken und man fürchtet sich vor den fatalen Auswirkungen von Drogenkonsum so wie nie zuvor. Vielleicht ein zweifelhafter Zeigefingerschwenk, aber ganz davon abgesehen ein vollkommen intensiver und schockierender Film, von dem ich mich gerne blenden lasse. Ohne Frage der König unter den Feel-Bad-Movies.

8/10

The Fountain [2006]

Death is a disease, it's like any other. And there's a cure. A cure - and I will find it.
Ganze sechs Jahre lies sich Aronofsky für sein drittes Werk The Fountain Zeit, um schließlich etwas ganz Großes zu wagen und einige der urältesten philosophischen Fragen zu beantworten versucht. Dieses Wagnis kam leider ein wenig zu früh.
Mit höchst kunstvollen, einzigartigen Bildern und Mansells rührseligen Score versucht er hier den Eindruck zu erwecken, dass der Film etwas Universelles mit größter Bedeutung für uns alle erzählt, doch der Schein trügt. Aronofsky ist nicht fähig, seine Botschaft über die herkömmlichen Grenzen eines Dramas mit Einzelschicksal auszuweiten, wodurch seine in allen Belangen riesige Inszenierung, inklusive seiner drei Zeitebenen, durchaus übertrieben erscheint. So sorgt Hugh Jackman als durch das Weltall schwebender Buddha für ein paar unfreiwillige Lacher, obwohl er nichts dafür kann und den verzweifelten Ehemann wiederum mit sehr viel Hingabe und Überzeugung gibt. Dennoch funktioniert The Fountain als Drama über einen Menschen, der den Tod nicht akzeptiert und vom Leben nicht loslassen kann sehr gut. Schon Schiller sprach damals vom "Erhabenen", den Tod als fester Bestandteil der Natur hinzunehmen und ihm mit Würde gegenübertreten. Aronofsky tut es ihm gleich und schafft mit Izzy (Rachel Weisz) eine Figur, die sich erhaben ihrem Schicksal stellt, während wir Tommy (Hugh Jackman) bei seinem Weg zu dieser Erkenntnis begleiten, das trotz seiner Bitterkeit im Hinblick auf unser alle Schicksal Hoffnung schöpft und uns, anstatt zu verzweifeln, bittet, an Tommys erlangter Weisheit ebenso teilzuhaben. 
Wer also mit allen Regeln der Kitschkunst gewaschen ist, wird auch The Fountain überstehen und vielleicht sogar ein wenig lieben lernen, wenn man wie ich ein Liebhaber großer Emotionen ist und missachtet, dass Aronofsky uns hier mehr verkaufen will als notwendig ist. Nüchtern betrachet dennoch sein schlechtester Film. 
7/10

The Wrestler [2008]
Ein Mann und das Rampenlicht, ein Leben für die große Show. Er kann nicht ohne die Bühne und die Bühne nicht ohne ihn. Die Zuschauer sind seine Familie. Sie geben ihm die Kraft, die er braucht. Was er ist? Er ist ein Wrestler.
Im Bann zweier Metiers, in denen dein Körper mehr zählt als dein Geist und dein Publikum dich zu dem macht, was du bist, ist The Wrestler dennoch vielmehr Charakter- als Sozialstudie. Da wäre eine Stripperin (Marisa Tomei), die sich auszieht, nur um Geld für sich und ihren Sohn zu verdienen und natürlich Randy “The Ram” Robinson (Mickey Rourke), ein in die Jahre gekommener Wrestler, der sich trotz gesundheitlicher und familiärer Probleme einfach nicht von seinem Job trennen kann. Halt findet er nur bei ihr, und sie ebenso bei ihm. Ungewohnt zurückhaltend, gibt uns Aronofsky beinahe schon dokumentarisch Einblick in die Welt des Randy Robinson, was den Film zum einen vollkommen authentisch und fühlbar macht und zum anderen leider auch ein wenig langatmig werden lässt. Doch wenn man den Wrestler dann blutüberströmt nach der völligen Hingabe zu seinem Beruf in vollkommener Leere, erstaunt über seine Vergangenheit und verzweifelt über seine Zukunft, sitzen sieht, ist man wieder voll im Geschehen und es gibt nichts, was dir mehr am Herzen liegt als das Schicksal dieses Mannes. Mickey Rourke ist für die Hauptrolle die perfekte Besetzung, da er erstens ein fabelhafter Schauspieler ist und zweitens mittlerweile genauso abgehalftert und heruntergekommen wirkt, wie die Figur, die er darstellt. Neben ihm glänzt die bezaubernde Marisa Tomei in ihre bislang besten Rolle. The Wrestler ist Aronofskys untypischster Film und vielleicht gerade deshalb sogar auch sein reifstes Werk. Fernab von  Spielereien mit Kamera und Schnitt, sowie einem hoch emotionalen Score, wagt er diesmal hingegen den Sprung von der Ecke des Rings, den Sprung ins Ungewisse ... und der gelingt.

8/10

Black Swan [2010]
Zwei Jahre nach dem einfühlsamen Sportlerdrama The Wrestler präsentiert uns Darren Aronofsky den nächsten befremdlichen Einblick in die Welt des Sports. Zwar scheint es auf den ersten Eindruck so, als ob Wrestling und Ballett wenig miteinander gemein haben, doch wenn man ihren Kern betrachtet und einen Blick auf die Seele des Sportlers wirft, so offenbaren doch beide eine grausame, bittere Seite. Und in Black Swan wird fernab vom Glanz, den das Ballett-Publikum wahrnimmt, ebendiese Schattenseite schonungslos offen gelegt. Getrieben vom Leistungsdruck und der Eifersucht geht hier Nina (Natalie Portman) eine völlig krankhafte Hingabe zu ihrer Rolle ein, in der widerlich anzusehende körperliche Makel wie blutige Zehen oder aufgekratze Haut noch das Mindeste sind, was die Protagonistin belastet. Sie soll in einer Neuinterpretation des Schwanensees die Schwanenkönigin spielen, in der sie die Doppelrolle des zarten, weißen Schwans und die des temperamentvollen schwarzen Schwans beherrschen muss. Eine Aufgabe, die für sie lediglich mit der vollständigen Identifikation mit ihrer Rolle zu meistern ist. Eine schicksalhafte Veränderung ihres Charakters scheint vorprogrammiert. 
Was Darren Aronofsky in seiner nunmehr fünften Regiearbeit leistet, ist schlichtweg grandios. Von körperlichen Schäden, über Verfolgungswahn, bis hin zum seelischen Zerfall zeichnet er den tragischen, menschlichen Niedergang einer Ballett-Tänzerin und konstrastiert dies gleichzeitig mit ihrem beruflichen Aufstieg und ihrem Umfeld, das nur auf ihren Erfolg schaut, sie beneidet und als große Künstlerin umjubelt, während sie selbst an ihrem Beruf zunehmend mental zugrunde geht. Natalie Portman meistert ihre zwiespältige Rolle ebenso hervorragend, wie ihre tadellos performten Tänze und brilliert neben Vincent Cassel als leidenschaftlicher Direktor des Stücks, der hier wieder einmal seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Den Fokus auf die mitreißende Charakterstudie legend, baut Aronofsky geschickt für den genauen Beobachter zwar vorhersehbare, aber niemals störende Psychothriller-Elemente ein, um auch das Mainstream-Publikum zufrieden zu stellen und das gelingt so perfekt, dass der Film überhaupt nichts von seiner Ernsthaftigkeit und Tragweite verliert. Black Swan ist ein einziger musikalischer Bilderrausch, indem technische Brillianz und fesselndes Schauspiel auf intensivste Art und Weise auf den Zuschauer einwirken und in einem höchst emotionalen Finale münden, das einem die Schuhe auszieht. Die Masse applaudiert, der Einzelne weint.
I felt it. It was perfect.
9,5/10


6 Kommentare:

  1. "Black Swan" war großartig! Deine Werkschauen gefallen mir, erinnern mich immer daran was ich von wem noch abzuarbeiten habe ^^.

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    1. Nochmals danke! :)
      Bei "Black Swan" gehen die tatsächlich Meinungen sehr weit auseinander ... wie du siehst, gehöre ich zu den Fans. Schön, dass du mir da zustimmst.
      Ich versuche demnächst weiterhin beim Film schauen ein wenig systematisch vorzugehen, auch wenn das wohl bald ein wenig schwieriger wird, da nicht alle Regisseure nur fünf Filme gemacht haben ^^. Diese Werkschau hat mir beispielsweise die anfängliche Skepsis über Aranofsky gelegt... so sind viele Filme in der Zweitsichtung zuletzt noch ein paar Pünktchen gestiegen.

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  2. Ui, super Idee, das mit den Werkschauen. Gefällt mir sehr, vor allem die Wertungen passen ideal! :)

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  3. Na immerhin in einem Film Übereinstimmung. Der Rest ist für mich mehr oder weniger ungenießbarster Quark. :)

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    1. Ich weiß. :)
      Schade ists aber schon irgendwie ... eine Freude im Leben weniger. :D

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