Sonntag, 16. Dezember 2012

Anna Karenina [Joe Wright | FR,GB 2012]


Bühne frei für die feinen Damen und Herren Russlands, für prunkvolle Gewänder und Paläste, für prächtige Festmäler auf reich gedeckten Tischen und für berauschende Tanzbälle unter den Sternen bei Nacht: Der Schein überragt das Sein in völliger Gänze und unter jenem Deckmantel verbirgt sich ein schwaches und unterentwickeltes Russland von rabenschwarz-verkohlten Arbeitern, armen Bauern und gestrigen Moralvorstellungen, während sich zwei Liebende im tragischen Kampf gegen die feudale Gesellschaft befinden. Genügend Gründe Rotz und Wasser zu heulen gibt Tolstois Romanvorlange zweifelsohne her, doch konzentriert sich Joe Wright weniger auf große Melodramatik (die Taschentücher können zu Hause bleiben), als vielmehr auf inszenatorische Eleganz und Präzision, mit der er auch das gesellschaftskritische Potential der Geschichte vollkommen ausschöpft. Das gelingt nicht zuletzt auch Dank des genialen Einfalls, den Großteil der Story ins Theater zu versetzen, das durch seine opernhafte, unwirkliche Ausstrahlung die herrliche, unbeschwerte Welt des russischen Hochadels als lächerliche Maskerade entlarvt. Im Mittelpunkt aber steht lediglich eine Frau, die sich, auch der Suche nach wahrer Liebe, von den Fesseln der Ehe zu befreien versucht, gefangen in einer festgefahrenen Ordnung, die alle ihre Bürger gleichsam mit sich zieht. So löst Anna Karenina (keine Frau passt so gut in diese Zeit wie Keira Knightley) eine Kettenreaktion aus, als sie sich trotz Ehegelübde dem jungen Graf Wronskij hingibt und somit gleich mehrere Personen, allen voran Jude Law als ihren leidvoll disziplinierten Ehemann, mit in den Schmutz zieht (Lieblingsszene: Eklat beim Pferderennen). Die adelige Familie rast dem Niedergang entgegen, eine bittere Tragödie scheint vorprogrammiert. Man könnte Joe Wright vorwerfen, dass er mit großen Gefühlsausbrüchen und spürbaren Mitleid mit seinen tragischen Figuren sehr sparsam umgeht, dass er Ästhetisierung wahren Gefühlen vorzieht und dass der Zuschauer, abgesehen von der romantischen Beziehung zwischen Landarbeiter und Adliger, die offenbart, das wahre Liebe funktionieren kann, keinen echten Bezug zu ihnen herstellen kann, doch zielt Wright, so konsequent und stilsicher wie nie, genau darauf ab, die leere Hülle einer Gesellschaftsschicht sowie ihre Unfähigkeit der Realität ins Auge zu blicken, ohne ein Urteil nüchtern zu präsentieren, bis es schließlich zur Katastrophe kommt und eine herrliche Schlusseinstellung suggeriert, dass das Leben eben doch keine Bühne ist. Erst mit dem Abspann kommen die Emotionen.

8/10

2 Kommentare:

  1. Interessiert mich auch sehr stark, der Film. Umso trauriger, dass ich den wohl erst zum Videotheken-Release sehen werde. Aber du hast die Vorfreude schon mal gesteigert. :o)

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